Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi
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Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi
Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi
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Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi
Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi
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Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi
Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi
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Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi
Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi
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Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi
Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi
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Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi
Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi
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Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi
Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi
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Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi
Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi
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Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi
Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi
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Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi
Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi
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Marie Matusz – Golden Hour, 2019 – Foto: David Aebi

Seit ich Marie Matusz kenne, bin ich fasziniert von der sprachlichen Eloquenz, mit der die Künstlerin Ideen formuliert, die in ihren erst noch zu schaffenden Werken anschaulich werden sollen. Zauberhaft ist ihre feine Handschrift, mit der sie die im Gespräch geäusserten Gedanken festzuhalten pflegt, Miniaturen, die jede noch so kleine Notiz wie ein Gedicht von ihr erscheinen lassen. 

Marie Matusz ist eine Künstlerin, die auch Begriffe wie bildhauerisches Material behandelt und dennoch zu einem künstlerischen Vorschlag finden kann, der völlig aus dem Stofflichen heraus entwickelt zu sein scheint. Ob der Gedanke am Anfang der Form oder die Form am Anfang des Gedankens stand, bleibt dabei offen. So beredt, konfrontativ, selbstbewusst und überzeugend die Künstlerin im Austausch über ihre Arbeit und in der Diskussion, gerade auch mit Künstlerinnen und Künstlern ihrer Generation ist, ihre visuellen Werke sind von rein anschaulicher Natur, Sprachlosigkeit umgibt sie.

Was die beiden französischen Schriftsteller Gilles Deleuze und Félix Guattari in Tausend Plateaus über das Buch sagen, dass es nämlich keinen Unterschied gäbe «zwischen dem, wovon ein Buch handelt, und der Art, in der es gemacht ist», gilt auch für Ausstellungen dieser jungen, in Toulouse geborenen Künstlerin. Sie bilden jeweils ein «Gefüge» (franz. «agencement»), haben kein Objekt und kein Subjekt. Lange dauerte es, bis ich realisierte, dass sich Matusz in ihren Ausstellungen weder für die Wand, noch den Boden oder die Decke interessiert, sondern für den Bereich, das Volumen dazwischen. Ihre in Aluminium ausgeführten plastischen Werke etwa hängen in ihren Ausstellungen gut sichtbar und deshalb, wie ich zunächst meinte, zu offensichtlich an dünnen Stahlseilen, die ihrerseits an einfachen Haken in der Decke verankert sind. Ihre Werke sind aber keine im Raum optisch stillstehenden Objekte wie sie in den 1960er-Jahren zuerst in New York zur Diskussion gestellt wurden, sondern äusserst fragile Gebilde, spezielle Gewebe beispielsweise und nicht belastbare, meist in Metall ausgeführte Träger, die eine Form von Zwischenraum erzeugen, Abwesenheit zeigen, Luftkörper veranschaulichen und eine absichtlich geschaffene Leere thematisieren, die das Denken stimulieren kann. Das ist in der zeitgenössischen Kunst eher ungewöhnlich, weil visuelle Evidenz keinen Wert an sich mehr darstellt und die Narration in den letzten Jahren wichtiger geworden ist als das ästhetische Argument. Ungewöhnlich auch deshalb, weil Matusz mit Sprache arbeitet, Texte für die Realisierung ihrer Arbeiten beizieht und ihr künstlerisches Schaffen im Kern auf Begriffen und der Frage nach deren Fassbarkeit und Abbildbarkeit aufbaut.

In Amden stand der Künstlerin für ihre Intervention der gesamte, während Generationen für die Berglandwirtschaft genutzte, Wind und Wetter trotzende Weidgaden zur Verfügung, in dem seit 1999 Ausstellungen von Kunst der Gegenwart stattfinden, ohne dass das Haus dafür baulich angepasst worden wäre. Marie Matusz erarbeitete eine beide Stockwerke umfassende Installation zu Fragen der Widerstands- und Regenerationsfähigkeit von Lebewesen und Dingen, die vom Ausstellungsort selbst mit angeregt wurde, und die gesamte Situation im Blick hat. Wie schon bei früheren Ausstellungen thematisiert die Künstlerin dabei das Ausstellen selbst als schöpferischen Prozess. Ihre mehrteilige Intervention in dem aus Raum und Zeit gefallenen Ambiente, das seine eigentliche Bestimmung längst und dauerhaft verloren hat, nistet sich in die gegebene Struktur ein, ohne sich mit dem Gebäude und dessen Architektur zu verbinden oder seine ehemalige Funktion anzusprechen. Matusz behandelt das Haus wie eine Art begehbaren weltlichen Reliquienschrein, in dem das Aufbewahren selbst und der Transfer von Informationen sowie das Erinnern in Form plastischer Objekte vor Augen geführt wird. Das eigentliche Zentrum der Ausstellung bildet eine kleine Vitrine mit einem handschriftlichen, offenen Brief. In diesem mehrseitigen Schriftstück werden tiefe Gefühle angesprochen, aufgerufen und verhandelt. Die durch das lyrische Ich zum Ausdruck gebrachten Emotionen rücken das Geschehen in die Gegenwart.

– Roman Kurzmeyer

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