Von Annelies Štrba waren innerhalb der Ausstellung von Adrian Schiess, die am 21. Mai 2005 eröffnet wurde, zwei Fotoarbeiten zu sehen. Es handelte sich bei dieser Ausstellung um ein gemeinsam konzipiertes Projekt, nicht aber um eine Gemeinschaftsarbeit der seit 1982 befreundeten Künstler. In dieser Konstellation war die Ausstellung bis in den Spätherbst zu sehen. Gleichzeitig zeigte das Ortsmuseum Amden die neue Videoarbeit Frances und die Elfen von Štrba, und im nahegelegenen Café Post, einem beliebten Treffpunkt im Dorf, stellte sie Porträts von Bauern aus. Mit dem an drei Orten gleichzeitig stattfindenden Projekt setzte die Künstlerin unterschiedliche Ausstellungssituationen und Werktypen, aber auch Menschen mit unterschiedlichen Kunstvorstellungen in Beziehung zueinander.
Annelies Štrba fotografiert seit ihrem 15. Lebensjahr, zunächst viele Jahre ohne künstlerische Absicht vor allem Kinder, später, ausser Orten, die für sie persönlich von Bedeutung sind, die eigene Familie, insbesondere ihre Kinder Sonja, Samuel und Linda. Mit ihren auf Leinwand kopierten Fotografien trat sie erst 1990 mit einer Einzelausstellung in der Kunsthalle Zürich erstmals an die Öffentlichkeit. Die frühen Arbeiten dokumentieren ihre damalige Lebenssituation als Mutter dreier kleiner Kinder. Es sind Bilder, welche die Beziehungsabhängigkeit des Menschen spiegeln. Es sind private Bilder, und gerade deshalb ist keine zweite Werkgruppe der Künstlerin so beliebt wie diese Kinderbildnisse: Sie sprechen zu uns, weil sie von gemeinsam erinnerter Zeit handeln. Die Bilder erzählen von Kindheitserinnerungen, führen Geborgenheit, aber auch Abhängigkeit und Isolation vor Augen. Zwar schuf Štrba später auf Reisen auch Bilder von Landschaften, Gärten und Parkanlagen sowie eine Reihe einzigartiger Städtevideos, doch blieben ihre Kinder, vor allem die beiden Töchter – inzwischen mit eigenen Kindern –, noch bis vor wenigen Jahren ihre wichtigsten Modelle. Štrbas Arbeit ist das Ergebnis einer künstlerischen Transformation der alltäglichen Lebensrealität. Sie gibt dem, was sie sieht, antrifft und erlebt, einen anderen Klang. Sie sucht den emotionalen Sinn, zeigt die poetische Dimension der Wirklichkeit, öffnet aber auch Abgründe. Ihre Bilder befreien den Alltag aus der Umklammerung durch die Nützlichkeit.
Nachdem Štrba einige Jahre lang die Fotokamera aus der Hand gelegt und Videoaufnahmen als Ausgangsmaterial für ihre Bilder verwendet hatte, zeigte sie in Amden mit den Porträtaufnahmen von Bauern aus dem Dorf erstmals wieder Fotografien. Innerhalb der Ausstellung von Adrian Schiess waren zwei Stills aus dem Video Frances und die Elfen ausgestellt, für dessen Aufnahme die Künstlerin in Amden mit Töchtern von ihr bekannten Bauernfamilien zusammengearbeitet hatte. Die sich potenzierende Gegenüberstellung von Schlafen und Sehen in den beiden Bildern bildete keinen Kontrapunkt zur Malerei von Adrian Schiess, sondern unterstützte vielmehr die ruhige, meditative Stimmung seiner Ausstellung.
– Roman Kurzmeyer