Christine Streuli – EKSAM-NEDMA, 2004 – Foto: Michael Fontana
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Christine Streuli – EKSAM-NEDMA, 2004 – Foto: Michael Fontana
Christine Streuli – EKSAM-NEDMA, 2004 – Foto: Roman Kurzmeyer
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Christine Streuli – EKSAM-NEDMA, 2004 – Foto: Roman Kurzmeyer
Christine Streuli – EKSAM-NEDMA, 2004 – Foto: Roman Kurzmeyer
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Christine Streuli – EKSAM-NEDMA, 2004 – Foto: Roman Kurzmeyer
Christine Streuli – EKSAM-NEDMA, 2004 – Foto: Roman Kurzmeyer
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Christine Streuli – EKSAM-NEDMA, 2004 – Foto: Roman Kurzmeyer

Christine Streuli malt Bilder, welche die Bedingungen für ihre Wahrnehmung selbst herstellen, kleine ebenso wie sehr grossflächige Gemälde; gemeinsam ist ihnen der mehrschichtige malerische Aufbau. Sie arbeitet mit Symmetrie, Spiegelung und Wiederholung. Sie verwendet handwerkliche Vervielfältigungsverfahren wie Handdruck, Abklatsch oder Schablone. Vereinzelt greift die Künstlerin dabei auf schon vorhandene Schablonen und Matrizen zurück, doch meistens fertigt sie diese selbst. 

Die auf der Leinwand abzubildende Figur wird dabei auf Papier, Karton oder Holz übertragen, ausgeschnitten und für die Applizierung der Farbe auf den Bildträger eingesetzt. Diese indirekte Malweise führt zu stark formalisierten Bildern von einer eigenen, distanzierten Bildhaftigkeit. Denn die Herstellung der Matrize ist ein Transformationsprozess, in dem die vorgefundene oder durch Abklatsch erzeugte Figur vereinfacht und so weit schematisiert wird, dass sie leicht zu vervielfältigen ist. Ungenauigkeiten, Fehler und Verschiebungen, die sich bei der manuellen Anwendung von Reproduktionsverfahren einstellen, interessieren Streuli nicht nur deshalb besonders, weil diese visuell überraschende, neue Elemente bilden und das Bedeutungsspektrum ihrer Arbeiten erweitern können, sondern auch weil sie vor Augen führen, wie unter Verwendung einer Reproduktionstechnik Originale entstehen. Das Nachdenken über die technische Verfertigung dieser Werke gehört zum Bild, das wir uns von ihnen machen. Die Malerei ist direkt und übersetzt in einem, zugleich spontan und distanziert, emotional und reflexiv. Diese dichotome Codierung zeichnet nicht erst das fertige Bild aus, sondern ist eine Eigenschaft jedes einzelnen Bildelements und daher für das Verständnis ihrer Malerei von entscheidender Bedeutung. Da selbst Pinselstriche und Farbtropfen nicht gemalt, sondern abgebildet und somit als Objekte der Malerei aufgefasst werden, erzeugen die Gemälde beim Betrachter eine gesteigerte Aufmerksamkeit für die Artifizialität des Bildes. Ein Schriftzug etwa ist unverkennbar auch eine Lackspur, und umgekehrt zeigt diese, dass sie lesbar ist. Zu erwähnen sind auch die Konturierungen der Figuren, die manchmal an Ornamente erinnern, sich aber auch auf die Sprache von Graffiti oder Tattoo beziehen können. Was der Kunsthistoriker Georges Didi-Huberman über steinzeitliche, farbig umrissene Handabdrücke schreibt, führt auch in die Gegenwart von Streulis Malerei: Er spricht vom Handabdruck als »Berührung einer Abwesenheit« und wirft die Frage auf, ob es sich bei der Felsbildkunst um die Präsenz oder die Repräsentation von menschlichen Händen handle. Sie ist keines von beidem, so Didi-Huberman, obschon sie die Präsenz einer Hand voraussetzen und die Umrisse von Händen zeigen, die es längst nicht mehr gibt.1  Der Abdruck ist ein dialektisches Bild, das uns sowohl die sichtbar gemachte Berührung als auch die Abwesenheit des Berührenden vor Augen führt. Den Verweis auf die Doppelnatur der künstlerischen Darstellung verbindet man heute reflexartig mit dem Namen und dem Werk von Andy Warhol, doch man findet sie bei vielen weiteren Künstlern, bei Frank Stella, Roy Liechtenstein, Sigmar Polke oder David Reed beispielsweise, die affirmativ mit Zeichensprachen umgehen und in ihrem Werk mit dem Verhältnis von Original und Imitation befasst sind. Streulis Gemälde sind Darstellungen des Darstellens, die den Diskurs über das Malen in Gang halten.

In Amden stellte Christine Streuli eine Arbeit zur Diskussion, die – ähnlich wie schon 1999 diejenige von Katharina Grosse im selben Gebäude – das in den Raum einfallende Licht thematisierte. Dieses durch Tür, Fenster und Schorgraben in den Stall eintretende Licht bestimmte 1999 die Form und die räumliche Ausrichtung des rot besprühten Kartonobjekts von Katharina Grosse. Streuli, die eine Arbeit für den über dem Stall liegenden Dachstock entwickelte, zeigte eine Assemblage. Das Stück war auf der Schwelle vom Vorraum zum Heuboden installiert und fungierte dadurch auch als Raumteiler. Die Bildseite befand sich gegenüber dem Eingang und war frontal beleuchtet. In die bemalte Holztafel geschnittene Öffnungen ermöglichten dem Besucher, das Gegenlicht wahrzunehmen, welches zwischen den rohen Brettern der Holzverplankung in den grossen, fensterlosen Raum hinter der Arbeit einfiel. Dieses Licht aktivierte die Malerei, die wie eine Maske das imitierte, was sie verdeckte: Bretter, Lichtschlitze, Raum. Das aus einer zweiten, mit Lackfarben bemalten Platte ausgeschnittene und auf die Trägerplatte montierte Element, ein bunter Farbfleck, ist das Gesicht des Gemäldes und wirkte – als Hinweis auf die Technik – wie eine Maske der Maske.

– Roman Kurzmeyer 

  1. Georges Didi-Huberman, Ähnlichkeit und Berührung: Archäologie, Anachronismus und Modernität des Abdrucks, aus dem Französischen von Christoph Hollender, Köln 1999, p. 26.

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