Pawel Althamer – Weronika, 2001 – Foto: Michael Fontana
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Pawel Althamer – Weronika, 2001 – Foto: Michael Fontana
Pawel Althamer – Weronika, 2001 – Foto: Michael Fontana
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Pawel Althamer – Weronika, 2001 – Foto: Michael Fontana
Pawel Althamer – Weronika, 2001 – Foto: Michael Fontana
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Pawel Althamer – Weronika, 2001 – Foto: Michael Fontana
Pawel Althamer – Weronika, 2001 – Foto: Michael Fontana
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Pawel Althamer – Weronika, 2001 – Foto: Michael Fontana
Pawel Althamer – Weronika, 2001 – Foto: Roman Kurzmeyer
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Pawel Althamer – Weronika, 2001 – Foto: Roman Kurzmeyer

Als ich Paweł Althamer in Warschau besuchte und ihn mit den Kinderbildnissen von Otto Meyer-Amden bekannt machte, erzählte er mir seinerseits von dem polnischen Schriftsteller und Künstler Witkacy (1885–1939). Stanisław Ignacy Witkiewicz alias Witkacy, dessen Theaterstücke zu Lebzeiten keine Anerkennung fanden, gilt heute als einer der wichtigen Schriftsteller der polnischen Moderne und wurde in der Nachkriegszeit vor allem für den Künstler und Dramatiker Tadeusz Kantor zu einer zentralen Orientierungsfigur. Witkacy, eine freie und exzentrische Persönlichkeit, war in der Zwischenkriegszeit als Maler sehr produktiv. Um Geld zu verdienen, zeichnete er Porträts, oft unter dem Einfluss von Drogen. Diese fantastischen, gänzlich unakademischen, halluzinogenen Blätter, die er mit Kommentaren bekritzelte, etwa über die beim Zeichnen eingenommenen Drogen, erinnern an die Zeichnungen des französischen Schauspielers, Dichters und Künstlers Artaud.

Am 18. November 2000 kam Althamer zu einer Ortsbesichtigung nach Amden und schenkte mir die Monografie über Witkacy von Irena Jakimowicz.1  Wir wanderten im Schnee. Mehrmals kreuzten Rehe unseren Weg. Dieses Auftauchen und Verschwinden der Tiere bestimmte Althamers Erinnerung an den Ort und bildete den Ausgangspunkt für die Entwicklung seiner Installation. Er beabsichtigte zunächst, eine im bewaldeten Gelände verborgene, skulpturale Arbeit zu schaffen. Realisiert hat er während seines Aufenthalts in Amden im Sommer 2001 schliesslich die Installation Weronika, die neben einem lebensgrossen plastischen Bildnis seiner Tochter Weronika auch eine Auswahl von Weronikas ebenfalls in Amden entstandenen Zeichnungen und Scherenschnitte umfasste. Der Künstler verwendete für die Plastik, wie er dies schon für seine Abschlussarbeit an der Warschauer Kunstakademie getan hatte, organische Materialien, einige fanden sich vor Ort: Heu und Draht zur Formung des Körpers, Hanf für das Haar. Aus Warschau hatte er den Schädel, Perlmutter für die Augen und Rinderdarm für die Haut mitgebracht. Paweł Althamer kam damals mit seiner ganzen Familie in die Schweiz. Er hatte bei seinem ersten Besuch in Amden berichtet, dass seine Reise- und Ausstellungstätigkeit zu Spannungen in der Familie geführt hatte, da er oft von seiner Frau und den drei Kindern getrennt sei, und er diesem Konflikt mit dem Einbezug aller Familienmitglieder in seine Arbeit begegnen wolle. In der Woche vor der Ausstellung verbrachte der Künstler die Nachmittage bei schönem Wetter mit seiner damals 5-jährigen Tochter auf der Bergwiese vor dem Stall und arbeitete an deren Abbild, während sie in seiner Nähe zeichnete und spielte.

Althamer arbeitet subjektiv situationsbezogen, mit einfachsten künstlerischen und technischen Mitteln. Die Umsetzung einer Idee in ein Werk, meist innerhalb kurzer Zeit, und dessen Ausstellung sind seinem Verständnis nach oft nicht voneinander zu trennen. Stets von Neuem überrascht und interessiert mich, wie ihm dieser Wissens- und Erfahrungstransfer aus dem Alltag in die Welt der Kunst gelingt. Althamer ist ein Künstler der Realzeit.

Philipp Kaiser schrieb in seiner Besprechung der Ausstellung von Althamer in Amden: »Die bekannten Aktzeichnungen Otto Meyer-Amdens von Knaben und Mädchen werden nun von Paweł Althamer zwar nicht direkt zitiert, dennoch aber bilden sie als Folie eine unsichtbare Referenz, die auch die sexuelle Latenz dieser Jugendbilder thematisiert. Weil auch das Äussere des kleinen Mädchens hier zugleich androgyn anmutet, korreliert diese Ebene mit einer utopischen Allegorie von der Unschuld der Kindheit, wie sie zu Beginn des letzten Jahrhunderts weit verbreitet war. Im Spannungsfeld von Autonomie, Ortsspezifik und Kontext verdichtet sich deshalb in Weronika eine vielschichtige Reflexion um Bilder des Eigenen und Fremden, deren Kraft in der sinnlichen und physisch realen Begegnung zu spüren ist.«2

– Roman Kurzmeyer 

  1. Irena Jakimowicz, Witkacy, malarz (Stanisław Ignacy Witkiewicz), Warszawa 1985.
  2. Philipp Kaiser, »Weronika: Paweł Althamer in Amden«, in: Kunst-Bulletin 9 (2001), pp. 22–25.

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