Elizabeth Wright – Hochhaus, 2003 – Foto: David Aebi
1/5
i
Elizabeth Wright – Hochhaus, 2003 – Foto: David Aebi
Elizabeth Wright – Hochhaus, 2003 – Foto: David Aebi
2/5
i
Elizabeth Wright – Hochhaus, 2003 – Foto: David Aebi
Elizabeth Wright – Hochhaus, 2003 – Foto: David Aebi
3/5
i
Elizabeth Wright – Hochhaus, 2003 – Foto: David Aebi
Elizabeth Wright – Hochhaus, 2003 – Foto: David Aebi
4/5
i
Elizabeth Wright – Hochhaus, 2003 – Foto: David Aebi
Elizabeth Wright – Hochhaus, 2003 – Foto: Roman Kurzmeyer
5/5
i
Elizabeth Wright – Hochhaus, 2003 – Foto: Roman Kurzmeyer

Kennengelernt hatte ich Elizabeth Wright 1992 in London, wo sie zusammen mit Giorgio Sadotti in ihrem Atelier den Ausstellungsraum Modern Art führte. Sie war eine junge Künstlerin, die zwei Jahre zuvor ihr Studium am Royal College of Art in London abgeschlossen hatte. Danach kopierte sie mehrere Jahre lang weitverbreitete, alltägliche Gegenstände, die ihr dennoch irgendwie aufgefallen waren und sich ihr eingeprägt hatten. 

In leicht verändertem Massstab fertigte sie Möbel, Kleidungsstücke, Bücher, Gebäude, Akten, Autos und Fahrräder, später auch Spuren, wie sie bremsende Fahrzeuge auf der Fahrbahn zurücklassen. 1991 nähte sie ein Abendkleid und einen Pelzmantel für einen Bücherstoss. Die beiden kleinen Werke waren bei Modern Art ausgestellt und hinterliessen bei mir einen bleibenden Eindruck. 1997 zeigte ich das Abendkleid bei Erika und Otto Friedrich in Bern, in einer Ausstellung mit dem Titel Drei Zimmer für Julie Bondeli. Liessen Wrights frühe Arbeiten eine surrealistische Weltsicht vermuten oder an Alice im Wunderland denken, so zeigte sich später ein fotografischer Blick in der Erfassung von Wirklichkeit: Das Kunstwerk dient der Beglaubigung ihrer visuellen Erinnerung. Die in Handarbeit nach fotografischen Vorlagen hergestellten Objekte sind im eigentlichen Sinne Artefakte, ihre visuelle Präsenz aber soll sich durch nichts von derjenigen ihrer Vorbilder unterscheiden.

In Amden thematisierte Wright die exponierte Lage des Weidgadens, in dem die Ausstellung zu sehen war. Sie kam vor der Ausstellung nicht nach Amden, sondern liess sich, wie damals auch für andere ihrer Projekte im öffentlichen Raum, die Gegend und das Haus beschreiben und machte sich anhand von Schilderungen, aber auch von Landschaftsaufnahmen und Landkarten ein Bild von der Situation. Diese Dokumentation betrachtete sie mit den Augen einer Grossstädterin. Dabei fiel ihr das urbanistisch stark entwickelte Umfeld auf, in dem sich das landwirtschaftliche Gebäude befindet. Daher wollte sie auch wissen, ob es sich bei diesem Gaden um ein für die Gegend typisches Gebäude handelt. Sie verlangte Fotografien des grössten Gebäudes in der Region und beschäftigte sich mit den unterschiedlichen Dimensionen von Haus und Landschaft. Die Fotografien bestärkten Wright in dem Gedanken, eine Arbeit zu realisieren, welche sowohl die spezifische Lage des Gebäudes auf einer Waldlichtung hoch über dem Walensee behandeln sollte als auch berücksichtigen musste, dass die Besucher nach einer Bergwanderung in der offenen und weiträumigen Landschaft der Amdener Mulde in kleine, dunkle Räume ohne künstliches Licht eintreten. So entstand die Idee, sich den Gaden als ein Hochhaus vorzustellen, das in den Berg gebaut wurde, vom Seeniveau her erschlossen ist und nur mit den beiden obersten Geschossen aus dem Felsen herausragt. Wer den alten, zweigeschossigen Gaden betrat, stand schwarzen Tafeln gegenüber, die an Strassenschilder erinnerten und erst lesbar wurden, wenn durch das Öffnen der Tür Licht einfiel. In den beiden Räumen des Erdgeschosses hing je ein Schild mit der Bezeichnung »183. Etage«, und im Obergeschoss traf der Besucher auf die Beschriftung »184. Etage«. Die Kombination von exponierter Lage und gezielt eingesetzter Desorientierung des Betrachters beim Betreten der dunklen Räume erfuhr in dieser Arbeit im Bild und in der Erfahrung des sich in einem Hochhaus vor dem Benutzer öffnenden Fahrstuhls eine situations­spezifische Übersetzung.

Nicht das eigene Erleben des Ortes, wie es seit den 1960er-Jahren für Arbeiten im Landschaftsraum üblich ist, bildete den Ausgangspunkt für die Entwicklung der Installation, sondern seine Dokumentation. Wright sucht nach Möglichkeiten, um mit ihrer Arbeit dieser vermittelten Wirklichkeitswahrnehmung zu entsprechen. Anders als die Künstler in der Duchamp-Nachfolge gelangt sie in ihrem Schaffen über die Dekontextualisierung zu einem angemessen ambivalenten Verständnis von Wirklichkeit.

– Roman Kurzmeyer 

WeiterlesenWeniger